Werden für die Bewältigung neuer Anforderungen und Veränderungen keine adäquaten Abläufe, Strukturen, Denk- oder Verhaltensweisen verankert, wird häufig mit schnellen, wenig strukturiert und kaum durchdachten Ad hoc-Lösungen hantiert. Kommt es gar, wie heute üblich, kontinuierlich zu neuen Herausforderungen, die immer wieder schnelles Handeln verlangen, stellt sich in vielen Unternehmen mit der Zeit eine Mentalität ein, die ich als „Feuerlöschen“ bezeichne: Statt einer ruhigen und konzentrierten Vorgehensweise, die sich an klar definierten Prozessen und Abläufen orientiert, bestimmt ein hektisches Reparaturdienstverhalten zur zügigen, aber oberflächlichen Beseitigung von Problemen mehr und mehr die Grundstruktur des Handelns in allen Unternehmensbereichen – und beeinflusst damit leider auch die Unternehmenskultur. Und sie geraten leicht in eine so genannte „Beschleunigungsfalle“.

Change wird zur erforderlichen Kernkompetenz

Eine Untersuchung aus dem Jahre 2012, die Veränderungen speziell unter dem Gesichtspunkt des Geschäftsprozessmanagements untersucht hat, kommt zu folgendem Ergebnis:

  • Nur 46 % der Unternehmen erreichen die gewünschte Veränderung und Anpassung ihrer Geschäftsprozesse,
  • 37 % der Unternehmen geben an, wesentliche oder grundlegende Nacharbeiten durchführen zu müssen, weil die veränderten Prozesse nicht ausreichend praxisreif sind, und
  • 43 % folgen überhaupt keiner oder nur einer eingeschränkten festen Vorgehensweise bei der Änderung von Prozessen.

Unternehmen sind sicher, dass in der Zukunft eine Vielzahl von geplanten unvorhergesehenen Veränderungen auf sie zukommt, die sie schnell bewältigen müssen. Change wird dadurch zur erforderlichen Kernkompetenz.

Stress, Hektik, Burnout und innerer Kollaps …  

… sind oft die Folgen. Es muss in immer kürzerer Zeit immer mehr getan oder erreicht werden, und es tritt das ein, was oft kritisiert wird: Im Unternehmen wird nicht mehr gearbeitet, sondern „geschuftet“. Das heisst, es gibt immer mehr Arbeit, immer mehr Projekte, zu viel Unübersichtlichkeit, unklare Zuständigkeiten, oft auch zu viel Kontrolle. Es muss immer mehr in immer kürzerer Zeit bewältigt werden, ohne dass entsprechende Erfolge sichtbar werden. Mit anderen Worten: Das Hamsterrad dreht sich schneller, und doch kommt das Unternehmen nicht wirklich voran, ja es verliert oftmals sogar Kunden, Marktanteile und Gewinnmargen und gleichzeitig auch an Mitarbeitermotivation.

Das Merkwürdige daran ist, dass sich Unternehmen der wachsenden markt- oder kundengetriebenen Herausforderungen sowie der notwendigen schnellen Anpassungen und der dadurch bedingten Zunahme des Stresses im eigenen Unternehmen durchaus bewusst sind. Und dennoch glauben Sie, „keine Zeit“ für Prozessmanagement zu haben, das ihnen helfen würde, aus der Tretmühle des „Schuftens“, dem Hamsterrad, herauszukommen.

Die Säge schärfen – an Effektivität gewinnen

Sie kennen ja die berühmte Geschichte vom Holzarbeiter, der mit grossem Aufwand versucht einen Stapel Holz durchzusägen. Er kommt nur schleppend voran. Ein vorbeikommender  Spaziergänger ruft ihm zu er solle doch zuerst seine Säge schärfen, dann ginge es leichter und schneller. Doch der Waldarbeiter ruft dem Spaziergänger schwitzend und schimpfend nach: „Ich habe keine Zeit die Säge zu schärfen, ich muss Holz sägen.“

So absurd diese Geschichte erscheint, so entspricht sie doch dem Verhalten in vielen Unternehmen. In den Firmen weiss man um die wachsenden Herausforderungen und doch gelingt es nicht, mit den damit verbundenen Veränderungen und Prozessanpassungen zurecht zu kommen. Ja, vielfach hält man Prozessmanagement für überflüssig oder zu aufwendig.

Den damit verbundenen typischen unternehmerischen Problemen wie Kostendruck, Qualitätsverlust und Verlust von Marktanteilen steht auf der anderen Seite die steigende Unzufriedenheit der Mitarbeiter gegenüber: Hektik, Stress, Zunahme an Arbeit und permanente Überforderung führt bei den Mitarbeitern vielfach zu innerer Kündigung und zu Burnout. Dieser Aspekt wird häufig übersehen und auch nicht in Zusammenhang mit fehlendem oder  unzureichendem Prozessmanagement gebracht.

Neues Phänomen „Beschleunigungsfalle“

Die Wissenschaft hat bereits einen Namen für dieses Phänomen geprägt: Sie spricht von der „Beschleunigungsfalle“. In diese Falle geraten Unternehmen, wenn Geschäftsführer oder CEOs  ihre Mitarbeiter und Führungskräfte dauerhaft an die Grenzen der Belastbarkeit oder sogar darüber hinaus treiben und auch Ermüdungserscheinungen und die damit verbundene Minderleistung mit verstärktem Druck, zusätzlicher Beschleunigung und/oder noch höheren Anforderungen reagieren.  Je stumpfer die Säge wird, desto mehr Kraft kostet das Sägen des Holzes, und gleichzeitig werden die Resultate schlechter.

Von der Beschleunigungsfalle sind heute 58% der mittelgroßen und 77% der grösseren Unternehmen betroffen. Die Beeinträchtigungen sind zahlreich: Die Arbeitgeberattraktivität sinkt in überschleunigten Unternehmen um 24%, das Vertrauensklima um31 %, die Unternehmensleistung um 10%, das Engagement um 163% und die Stimmung um 124%.

Man kann Prozesse nicht nicht managen

Prozesse – im Sinne von strukturierten, systematischen und effektiven Abläufen – sind stets in jedem Unternehmen in jeder Branche vorhanden, und sie werden auch immer gemanagt, die Frage ist nur wie. Verzichtet man auf ein sinnvolles und effizientes Management und lässt Feuerlöschen, Adhocratie und Wildwuchs improvisierter Lösungen zu, indem man mit Aktionismus versucht, Probleme oberflächlich und schnell zu beseitigen, so ist auch das eine Art des Managements – nur eben ein schlechtes, das über kurz oder lang viele negative Konsequenzen nach sich zieht. Um hier nur einige zu nennen:

  • Das Unternehmen wird den steigenden markt-, kunden- oder wettbewerbsgetriebenen Herausforderungen immer weniger gerecht und hat Schwierigkeiten mitzuhalten.
  • Aufgrund der fehlenden Erfolge werden die internen Anstrengungen erhöht, und das Unternehmen gerät womöglich in die Beschleunigungsfalle, die gekennzeichnet ist durch Überlastung der Mitarbeiter mit zu vielen Aufgaben und Projekten, mit Stress und Hektik, Vertrauensverlust und Konflikten.
  • Dann gelingt es dem Unternehmen immer weniger, sich um die strategische Komponente zu kümmern und deren Operationalisierung zu gewährleisten.
  • Am Ende steht schlimmstenfalls die Insolvenz.

Die Alternative

Die Alternative ist, Prozesse bewusst zu managen, und zwar möglichst in enger Anbindung an die Geschäftsstrategie, damit die strategische und die operative Ebene miteinander verzahnt sind. Ein bewusstes Prozessmanagement trägt dazu bei „die Säge zu schärfen“ und damit Effizienz und Effektivität der gesamten Organisation zu erhöhen. Insofern ist Prozessmanagement ein „einfaches Thema“ – einfacher, als die Folgen schlecht gemanagter Prozesse zu beseitigen.

Tipp: Intelligentes Prozessmanagement

Lesen Sie dazu mein Buch „Intelligentes Prozessmanagement – Marktanteile ausbauen, Qualität steigern, Kosten reduzieren“, erschienen im Springer Gabler Verlag.